Zur Diskussion

Spülstoptasten führen ja entgegen der allgemeinen Annahme nicht dazu, dass weniger Wasser verbraucht wird. Aber es hilft dem deutschem Gemütsmenschen, einerseits weil sie in ihrer Sprache solche Worte leicht erfinden können, sie sogar recht schnell in ein Wörterbuch aufgenommen werden, dass ebenfalls entgegen der allgemeinen Annahme keine Institution ist, und sie angeblich moralisch so den höheren Grund einnehmen können. Dabei fressen wir den wasserarmen Menschen in Form von Fleisch und Sojaprodukten ihre Lebensgrundlage weg, um sie dann in großen stinkenden Haufen mit der oben benannten Taste in unsere ökologisch vernünftig organisierte Kanalisation zu spülen. Aber der Sommer war ja auch wieder ungewöhnlich feucht.

Vorher schauten wir noch schnell, was die anderen schlaues, oder noch besser, lustiges/smartes über den Frühling ins Internet geschrieben haben. Der war ja wiederum ungewöhnlich warm. Meistens ging es dort ebenfalls nur um große Haufen Tier, die von unten verbrannt in von oben verbrannte Haufen Gewebe gesteckt wurden. Und überall die Hundescheiße im Park. Glatt reingetreten, als ich im Busch pissen war? Manch einer mag diese Sprachwahl für vulgär halten, andere grillen eben das ganze Jahr.

Aber im Sommer ging es uns dennoch gut. Etwas Geld war dann doch wieder übrig im Land mit einem der größten privaten Barvermögen der Welt, um bei den Faulen im Süden Urlaub zu machen. Mittlerweile kann man dort ja auch ganz unproblematisch im Aldi und Lidl einkaufen. Wann habe ich eigentlich das letzte mal ein Produkt gekauft, dass in Griechenland hergestellt wurde.

Hier gehen Senioren und andere Gewinner des europäischen Projekts gegen einen Bahnhof auf die Straße, dort leben bald 20 Prozent der Jugendlichen auf ihr. Empört euch! Jaja. Klar. Jaja hieß in meiner Jugend übrigens „Leck mich am Arsch!“, heute heißt es FRONTEX.

Die armen Schweine, denen ihre paar mickrige Maiskolben auf den ausgedörrten Feldern vertrocknen und ihre gerade erst keimende Demokratie durch für uns nützliche Ein-und Ausfuhrzölle an einer lahmenden Wirtschaft erstickt, und nun da hin wollen, wo der Wohlstand (ein Wort, das eigentlich auch nähere Betrachtung bräuchte) sich darin ausdrückt, dass man sich leisten kann weltweit mitführend darin zu sein, nie niedrigsten Preise für Lebensmittel zu zahlen, diese armen Schweine, die in ihrer Heimat mit der Kalashnikov im Nacken nach seltenen Erden für unsere Smartphones wühlen, damit wir uns montags in 140 Zeichen übers Aufstehen beschweren können, die inhaftieren wir auf abgelegenen Inseln im Mittelmeer, bei unseren Armen, unseren faulen Südländern, die ja auch nie was für unseren Wohlstand getan haben. Und auf Weihnachten lesen wir uns laut in christlich-liberaler Einigkeit von Barmherzigkeit vor und von Menschen die ihr Brot teilen, werfen 2,50 in die Spendenbox, ‚mehr Kleingeld habe ich leider nicht dabei und 5 sind doch schon ein ganz schöner Batzen‘, und ein paar Tage später zünden wir 10-20mal soviel Geld an, freuen uns über Explosionen und lautes knallen, Raketen und kleine Bomben.

In Syrien fängt am 1. übrigens auch ein neues Jahr an. Patriots sind anscheinend Menschen, die ihre Grenze schützen oder die wichtiger strategischer und wirtschaftlicher Freunde, sich aber nicht in fremde Angelegenheiten einmischen.

Jahresrückblicke sind immer unerträglich pathetisch, wobei das englische Wort „pathetic“, also erbärmlich, noch viel besser passt. Denn es geht nicht darum das Jahr abzuhaken als etwas DAS war, sondern darum WAS war. Ich werde nächstes Jahr vermutlich auch kein besserer Menschen werden, aber vielleicht hilft es ja, sich deutlich zu machen, dass man eben nicht mehr als ein im Wohlstand lebender, zynischer und pathetischer Europäer ist.

Und damit euch allen viel Glück und bezahlbaren Wohnraum im Jahr 2013.

 

P.s. Links werden nachgeliefert, denn da dieser ganze Sermon auf einem mobilen wp-interface geschrieben wurde, habe ich mir die aus nervlichen Gründen gespart.

Ein Gedanke zu „Zur Diskussion

You talkin' to me?